X
V

Auf der Suche nach einem neuen sozialen Paradigma

Die Welt braucht neue Grundregeln, um die Menschheit auf einem Weg zu begleiten, der die Erde und die Menschen retten kann. Die aktuellen ökologischen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen zeigen uns, wie schwierig es ist, für eine gemeinsame Sache zu mobilisieren und zu einem gemeinsamen Verständnis zu kommen. Was können wir auf individueller und kollektiver Ebene tun, um uns zu neuen Lebensweisen zu bringen?

Heute reichen selbst die beeindruckendsten Bilder von Katastrophen aller Art nicht mehr aus, um eine globale Dynamik in Gang zu setzen, um den Trend umzukehren. Wissenschaftler, Politiker, Altermondialisten, „normale“ Bürger, Verbände… viele Menschen versuchen, sich für eine Sache von allgemeinem Interesse zu mobilisieren. Was ihnen fehlt, ist ein gemeinsames Ziel, dieselben Werte, dasselbe gemeinsame Interesse, dieselbe Ethik, dieselben Mittel und Ressourcen: die Kraft einer Governance mit positiver, offensiver und altruistischer Leadership – getragen von kollektiver Intelligenz und Wohlwollen.

Individuelle Maßnahmen im Dienste globaler Probleme

Der Mensch ist mit einem System konfrontiert, das er selbst geschaffen hat und über das er – wie in einem Entropie-Phänomen – allmählich die Kontrolle verliert. Die Schwierigkeit, die es zu bewältigen gilt, entspricht dem, was auf dem Spiel steht: die Umgestaltung unserer Lebens- und Arbeitsweise auf weltweiter, gesellschaftlicher und regionaler Ebene. In einer globalen geopolitischen Betrachtung hat Henry Kissinger darauf hingewiesen:

« Der Wiederaufbau des internationalen Systems ist heute die ultimative Herausforderung der Regierenden. Die gegenwärtige Suche nach einer Ordnung für die Welt erfordert zunächst eine kohärente Strategie zur Schaffung eines Ordnungskonzepts innerhalb der verschiedenen Regionen und danach zur Verknüpfung dieser regionalen Ordnungen untereinander».

Von der Welt über die Nationen kommen wir zu Fragen der Regionen und letztendlich unserer Gemeinden. Wir kommen näher an das heran, was uns nahe ist. Diese Fragen müssen Geschichte und Kultur der einzelnen Regionen und der dort lebenden Menschen berücksichtigen.

Die großen Fragestellungen wie etwa zum Klima oder der Gesundheit sind meisten Menschen gut bekannt. Auf individueller Ebene aber zeigen sich viele Menschen hilflos, unbeteiligt oder sogar nicht betroffen. Wer fühlt sich wirklich verantwortlich? Wer ergreift individuelle Maßnahmen zur Bewältigung einer Herausforderung, die jeden Einzelnen von uns völlig überfordert?

Fragen Sie eine Gruppe von Menschen, ob sie davon überzeugt sind, dass sich das Klima weltweit verändert. Sie werden 95 % dazu bringen, ihre Arme zu heben, und die 5 %, die Klimaskeptiker sind, bleiben übrig. Fragen Sie dann, ob sie das Gefühl haben, dass das sich auf ihr tägliches Leben auswirkt. 70 % werden Nein sagen, 30 % werden Ja sagen, und die 5 %, die nicht einverstanden sind, werden sich unter die 70 % mischen. Fragen Sie sie schließlich, welche Maßnahmen sie ergriffen haben oder zu ergreifen gedenken. Das Ergebnis ist, dass sich die große Mehrheit sich nicht direkt betroffen fühlt und sich der zukünftigen Auswirkungen nicht bewusst ist. Die Mobilisierung ist letztlich sehr gering. Und selbst wenn sie sich engagieren wollten, wäre dies ein Hindernislauf – den Zweck genau zu definieren und um die erforderlichen Mittel zum Handeln zu finden.

Mobilisierung ist in dieser Größenordnung äußerst komplex. Natürlich dürfen wir nicht aufgeben, sondern müssen Mittel und Wege finden, um all diejenigen zu inspirieren, zu versammeln und zu unterstützen, die sich für eine Bewegung des Wandels engagieren wollen, deren Ziel genau festgelegt ist.

9 Fundamente zur gemeinsamen Mobilisierung

Wir können davon überzeugt sein, dass wir in der Lage sind, eine neue, stärker partizipative und kooperative Arbeitsweise aufzubauen und gemeinsam gut zusammenzuleben. Dazu müssen wir auf kollektive Intelligenz, emotionale Intelligenz, Wohlwollen, Fürsorge und Einfachheit setzen, uns das „Ganze“ bewusst machen und uns selbst darin sehen..

Immer mehr von uns schreiben, reden davon und sind überzeugt davon, dass es Zeit ist, gemeinsam zu handeln. Wir müssen die Bewegung im sozialen Sinne starten – und nicht im politischen Sinne. In einer gut informierten, konstruktiven und offenen Dynamik. Eine Bewegung, die den Rhythmus jedes Einzelnen respektiert und auf gemeinsamen Grundlagen beruht:

  1. Erfüllung und Fortschritt: Die berufliche Tätigkeit kann direkt zum Gefühl der ständigen persönlichen Weiterentwicklung beitragen und dem Einzelnen das Gefühl geben, dass er Fortschritte macht und sein Potenzial in einer positiven Dynamik ausschöpft
  2. Bewusstsein für den Sinn der Arbeit: Die berufliche Tätigkeit trägt zur Definition von Sinn und von Lebenszielen bei. Sie ist voller Sinn, wenn der Arbeit Wert und Bedeutung beigemessen wird und wenn die Möglichkeit besteht, die eigene Tätigkeit und das eigene Handeln an den Zielen auszurichten, für die man sich selbst einsetzt
  3. Entwicklung eines Zugehörigkeitsgefühls: Die berufliche Tätigkeit ist wichtige Quelle des sozialen Zusammenhalts und der Identifikation, sie ermöglicht es jedem Einzelnen, Netzwerke zu knüpfen und Elemente seiner Identität teilen. Dies ermöglicht allen, sich selbst wiederzuerkennen und zu einer Gruppe, einem Team oder einem Unternehmen zu gehören. Dieses Gefühl der Zugehörigkeit bringt auch Verpflichtungen mit sich
  4. Anerkennung erhalten: Weil sie Bestandteil der Identität des Einzelnen ist, hat die Arbeit einen “sozialen Wert”. Wenn man in seiner und durch seine Arbeit anerkannt wird, fühlt man sich als Person und als Arbeitnehmer nützlich und geschätzt. Anerkennung trägt zum Wohlbefinden am Arbeitsplatz bei – durch die Stärkung des Selbstwertgefühls und zwischenmenschliche Unterstützung
  5. Schaffung eines Klimas des Vertrauens: Vertrauen in beruflichen Beziehungen fördert ein Gefühl der Sicherheit und Gelassenheit. Das Vertrauen macht nicht an den Grenzen der Organisation halt, denn diese Dimension des Wohlbefindens beeinflusst auch in die Beziehungen außerhalb des Unternehmens
  6. Kooperatives Arbeiten fördern: Arbeit bietet starken Ansporn, der es ermöglicht, Schwierigkeiten zu meistern und kollektive Intelligenz zu fördern. Die Interdependenz von Mitteln und Zielen bei der Förderung des Austauschs ist die Grundlage der Arbeit im Team: Diese schafft solidarische Beziehungen und gleichzeitig effiziente Arbeitsmechanismen
  7. Einen Beitrag zur Gesellschaft leisten: Arbeit bietet Raum für einen sozialen und gesellschaftlichen Beitrag, indem sie es jedem Einzelnen ermöglicht, zu Aufgaben und Projekten beizutragen. Sie ist damit ein Hebel für gutes Leben. Das berufliche Engagement wird durch den Beitrag der Organisation zum sozialen und gesellschaftlichen Umfeld verstärkt
  8. Ergreifen von Initiativen auf der richtigen Ebene: Autonomie ist anerkannter Faktor positiver Erfahrungen am Arbeitsplatz. Diese zeichnen sich durch das Gefühl aus, der Ursprung des eigenen Handelns zu sein, mit der Organisation in Einklang zu stehen und Verantwortung für seine Aktionen zu übernehmen. Steuerung des Niveaus von Subsidiarität und des Rahmens, in dem der Einzelne seine Autonomie ausübt, ermöglicht ein mögliches Abgleiten in den Individualismus zu verhindern
  9. Im Einklang mit den eigenen Talenten sein: Jeder Mensch ist Träger einer Einzigartigkeit, von einzigartigen und seltenen Elementen, die in einem kooperativ geprägten Rahmen zum Reichtum des Unternehmens beitragen. Seine Talente einzubringen und so zum Erfolg der Organisation beizutragen, ist Teil des Wohlbefindens am Arbeitsplatz

Transformation wird dann in Bewegung kommen, wenn es uns gelingt, gemeinsam den Schritt vom Diskutieren zum Handeln zu machen. Sie wird nur dann nachhaltig sein, wenn eine Mehrheit sie als sinnvoll erachtet und Ihr deutlichen Fortschritt bringt. Diese Bewegung muss permanent Fortschritt machen und sie gehört all denen, die ihren Sinn teilen. Wir sind selbst dafür verantwortlich, Maßnahmen zu ergreifen. Um uns zu mobilisieren, muss ein fester Willen entwickelt werden, um von der Absicht zur Aktion überzugehen.

In einer kollektiven Aktion zusammenzukommen bedeutet in der Tat, ihren Sinn zu teilen – es bedeutet aber vor allem auch, sich zu engagieren, um die Aktion wachsen zu lassen und sie mit den eigenen Ideen zu bereichern. Der Sinn wird dadurch stabilisiert. Das „sich vereinen“ gibt dem kollektiven Handeln die Kraft, die Bewegung zu konkretisieren und die Herausforderungen anzunehmen. Alleine oder unkoordiniert ist das unmöglich.